Die 13. Villa Rossa fand vom 22.-29.8.2015 statt, auch dieses Mal veranstaltet in Kooperation von Stiftung GegenStand und dem ver.di-Bildungswerk Hessen. Ihr Thema: “Neue Ungleichheit„.
Das Seminar hatte zunächst drei Prozesse zum Thema oder als Hintergrund. Wir fragen, inwieweit sie zusammenhängen und was politisch daraus folgt:
- die aktuell von Thomas Piketty prononciert vorgetragene Position, dass es sich bei der seit den 70er Jahren in zahlreichen Ländern krass ansteigenden Einkommens- und Vermögensungleichheit nicht um eine kurzzeitige Ausnahme handelt, sondern um die Fortsetzung eines in die Entwicklung des Kapitalismus stark eingeschriebenen Prozesses, der im halben Jahrhundert zuvor aufgrund verschiedener Faktoren nur unterbrochen war. Danach wäre davon auszugehen, dass sich dieser Prozess fortsetzen wird, sich abschwächen, aber durchaus auch dramatisch intensivieren kann.
- Die Krise des Neoliberalismus 2008ff. hat in der Bundesrepublik und anderswo diesen Prozess fortgesetzt und zum Teil deutlich beschleunigt. Hier geht es offenbar nicht um „Verteilungsgesetze“, die ihre Gültigkeit nach einem Wiederaufschwung durch und nach der Krise verlieren – Neoliberalismus ist ein „Klassenprojekt“ (Harvey), in dem die Umverteilung nach oben ein Schlüsselbestandteil ist.
- Endlich gibt es Gründe zur Annahme, dass die aktuellen komplexen Arrangements von Industrie 4.0, Big Data, digitaler Gesellschaft und digitaler Dominanz sich zu einem globalstrategischen Projekt der Transformation der informationell-industriellen Gestalt des gegenwärtigen Kapitalismus verdichten und zu prüfen ist, welche Auswirkungen dies auf die Verhältnisse von Gleichheit / Ungleichheit hat. Auffällig ist, dass in den mittlerweile zahllosen 4.0 – Papieren, Prognosen, Analysen und Äußerungen diese Frage nach der Ungleichheit kaum vorkommt.
Ungleichheit interessierte hier, weil sie verbunden ist mit Gerechtigkeit und Politik. Beide sollten bei den Referaten und Debatten der diesjährigen 13. „Villa Rossa“ kontinuierlich berücksichtigt werden. Sie interessiert aber auch deshalb, weil wir ihr und den Prozessen, die mit ihr als Wirkursachen verknüpft sind, eine große Dynamik zurechnen, die uns veranlasst haben, am Ende eine Frage zu stellen, die in der langen Geschichte der Villa Rossa-Reihe bislang nicht vorkam.
Das Programm aber begann
- vorweg mit der Frage, wie eigentlich in neuerer Zeit die Frage der Gleichheit und Gerechtigkeit im Rechtsdenken und der Rechtspraxis verhandelt wird (Peter Hauck-Scholz)
- wandte sich dann mit mehreren Beiträgen der Industrie 4.0 („Hype oder industrielle Revolution“), den Big Data und digitalen Dominanzen zu (Christoph Ohm, Hermann Bömer, Rainer Fischbach)
- machte einerseits einen Streifzug durch die Piketty – Debatte und ihre (verteilungs-)politischen Folgen (Rainer Rilling) und detaillierte andererseits die Verteilungsfrage „Entgeltgleichheit als Forderung – Entgeltungleichheit als Feststellung“ (Ursula Schumm-Garling)
- thematisiert das Stichwort der ökologischen Gleichheit vom deutschen Konsum bis zum Exportmodell Deutschland (Günther Bachmann)
- erörterte die „Prekarität in der Gesellschaft 4.0“ (Andrea Liesner) und
- endete zum Seminarabschluss mit der speziellen Frage nach der „Zukünften des Kapitalismus?“ und diskutiert eine dezidierte Antwort: „Wie wird der Kapitalismus enden?“. Es antworteten Wolfgang Streeck, Michael Krätke und Hans-Jürgen Urban, wobei sie der Maxime des berühmtesten griechischen Finanzministers folgten: »Wir sind stolz auf das Niveau der Ungenauigkeit«.
Detailliertere Angaben zu Programm, DiskutantInnen und Seminarmaterialien finden sich hier.
Seminarinformation: Das Seminar findet statt vom 22. 8. bis zum 29.8.1215 in der Villa Palagione Centro Interculturale – Associazione culturale, Loc. Palagione (I-56048 Volterra (Pisa) – Tel. (+39) 0588 39014 / (+39) 0588 39139 – Fax: (+39) 0588 39129 – E-mail: info@villa-palagione.org). Zur besseren Veranschaulichung 681 ungeordnete Fotos der Villa, die im Verlauf der Seminarjahre entstanden. Anreise vorzugsweise bis Samstagabend (22.8.); Abendessen ca. 19.30 Uhr. Am Sonntag 11 Uhr Begrüssung und Führung durch das Haus. Kurze Vorstellung. Nachmittags: Zur freien Verfügung, ggf. Besuch von Volterra, angeboten wird auch eine „geführte“ Wanderung von der Villa nach Volterra. Beginn des Tagungsprogramms Montag 9.30 Uhr, Ende Freitag gegen 14/15 Uhr. Samstag 29.8. Rückreisetag. Infos und Empfehlungen in Sachen Anreise auf der Website der Villa, wir versuchen auch als Veranstalter im Zweifel zu helfen. Die Veranstaltung wird gefördert von der Rosa Luxemburg Stiftung. Teilnahmekosten für den einwöchigen Aufenthalt (Seminar u. Halbpension) in der Villa Palagione pro Person von ca. 560-800 € . Die Veranstaltung ist als Bildungsurlaub anerkannt. Aktuell (11.7.2015) ist die Veranstaltung mit 38 TeilnehmerInnen bereits ausgebucht, zuweilen lohnt sich ein Eintrag in eine Warteliste.
Verantwortlich: Rainer Rilling. Mail: s-gs@gmx.de | Web: www.s-gs.de/wordpress/. Nachfragen oder Anmeldung bei Rainer Rilling oder Godela Linde.
Vorschläge zur Entschlüsselung der Infographik zur Tagung werden übrigens gerne entgegengenommen. Sie hat etwas mit dem Tagungsthema zu tun.