2012 findet die zehnte Villa Rossa vom 25.8. zum 1.9. zum Thema Geopolitik statt. Sie wird veranstaltet vom Ver.di Bildungswerk Hessen und der Stiftung GegenStand
Die Geschichte der „Geopolitik“ reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück, ihren politischen und theoretischen Höhepunkt erreichte sie jedoch erst in den Kriegen der kolonialen und imperialistischen Zeit nach der Jahrhundertwende und in den 30er/40er Jahren, in deren Zentrum die Konkurrenz dreier großer imperialer Weltordnungsprojekte standen. Die Verwendung des Begriffs für die faschistische Großraumpolitik hat hierzulande ein Verständnis von Politik, das den „Raum“ mitdenkt, jahrzehntelang diskreditiert – ganz im Unterschied zu den USA oder Rußland. Ein weiterer Grund war aber auch die fehlende Nutzanwendung solcher wissenschaftlicher Diskurse für einen Staat, der noch weit entfernt von einer Hegemonialrolle war. Lange Zeit waren Fragen des Raumes nur im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aspekten (Standortpolitik) Thema. Das ändert sich jetzt.
In der öffentlichen Debatte hat sich die Rede von der Geopolitik seit 1989 (dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Ordnung) und 9/11 (der Explosion der islamistischen Macht) langsam wieder etabliert und deutlich Karriere gemacht. Dafür sind vor allem vier Gründe verantwortlich.
- In erster Linie zu nennen ist der Aufstieg der Energie- und Rohstofffrage. Eine „Rohstoffstrategie“ der BRD wurde 2010 verabschiedet. Die Ablösung der fossilen durch erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Veränderung der stofflichen Grundlagen des Energie- und Produktionssystems werden mittlerweile als „große Transformation“ bezeichnet, die immer deutlicher von politischen Konflikten begleitet wird.
- Auch damit verknüpft und ebenso mit Tempo hat sich die militärische Seite einer geostrategisch akzentuierten Politik auszuprägen begonnen.
- In der tiefen Krise der fossilistischen Umweltpolitik entsteht eine neue Raumordnung einer grünen Wirtschaft.
- Endlich hat die große Wirtschaftskrise seit 2008 bislang die Rolle Deutschlands in Europa aufgewertet und neue Raumbezüge im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Interessenlage Deutschlands thematisiert.
Geopolitische Aspekte wandern gegenwärtig in zahlreiche Politikfelder ein und bekommen Gewicht, eine entsprechende Infrastruktur von Think-Tanks bis zu staatlichen Agenturen entsteht.
Das Seminar „Geopolitik“ innerhalb der jährlichen Seminarreihe „Villa Rossa“, das vom 25. August bis zum 1. September 2012 im Bildungszentrum Centro Interculturale Villa Palagione bei Volterra stattfinden wird, rückt die Konkretisierung und den offenbaren politischen Bedeutungszuwachs von „Geopolitik“, „Geoökonomie“ oder „Geostrategie“ ins Zentrum. Eine Fülle neuer und traditioneller politischer Organisationen bis hin zu Parteien und Gewerkschaften berücksichtigen diese Veränderung. Das Seminar soll verdeutlichen, wie das Gewicht der räumlichen Dimensionen der Finanz-, Wirtschafts-, Energie- oder Investitionspolitik, der Militär- und Umweltpolitik, der Landwirtschafts- oder Verkehrspolitik für die Entwicklung der Sozial-, Arbeits- und Gesellschaftspolitik rasch wächst.Die Veranstaltung steht jeder Person offen, zielt jedoch insbesondere auf Akteure und Multiplikatoren der politischen Bildung und –Weiterbildung.
- Intro zur Theorie und Politik der Geopolitik…
- Ein unvermeidlicher Rückblick: Carl Schmitt
- Die „longue durée“ der Geopolitik des fossilen Kapitalismus
- Aktuelle Transformationen der Geopolitik: Finanzmarktkapitalismus und „grüner Kapitalismus“
- Annäherungen an den Global Power Shift
- Geopolitische Strategien Europas
- Multiple Europas
- Geopolitische Aspekte des großen Konflikts im Nahen und Mittleren Osten
- Landgrabbing
- Rohstoff- und energiepolitische Dimensionen der bundesdeutschen Investitions-, Wirtschafts- und Exportpolitik
- „So groß wie Schweden“ – Deutschland und sein Meer
- Welche Geopolitik hat eigentlich der Vatikan?
Hier ein detailliertes Programm sowie eine Zusammenstellung der Seminarliteratur und biografischen Angaben (beide werden noch ergänzt). Teilnahmekosten: Ein-wöchiger Aufenthalt, Teilnahme: Seminar u. Halbpension in der Villa Palagione, 480. – € bzw. variierender Aufpreis für Zimmer in der Villa.
Kontakt: rainer.rilling@gmx.de. Leitung der Veranstaltung: Prof. Dr. Rainer Rilling, Soziologe, Marburg. Die Veranstaltung wird gefördert von der Rosa Luxemburg Stiftung.
Ein Gedanke zu „Geopolitik“