Villa Rossa 2015: Programm | Texte | Biografische Angaben
24.8. Montagvormittag (9.30 -12.30)
„Gleichheit und Gerechtigkeit im Rechtsdenken und der Rechtspraxis “ Peter Hauck-Scholz (Marburg) RA
Im Beitrag geht es um die spezielle (eingeschränkte) Sicht der Juristen, die vornehmlich Exegeten von Texten des demokratisch legitimierten Verfassungs- und Gesetzgebers und daher ohne Text hilflos sind. Worin besteht juristisch Gerechtigkeit – worin besteht juristisch Gleichheit? Was haben Gleichheit und Gerechtigkeit vor diesem Hintergrund miteinander zu tun? Welche Rolle spielt der Freiheitsbegriff? Gehört zur Gerechtigkeit außer der Gleichheit und der Freiheit auch die Teilhabe (Partizipation) und die Sicherheit? Ist Gleichheit eine spezielle Form der Gerechtigkeit und ist Gerechtigkeit ohne Gleichheit denkbar? Wie haben sich die genannten Begriffe im Laufe der Rechts- und Verfassungsgeschichte entwickelt? In welchem Zusammenhang stehen gesellschaftliche Realität und Verfassungs-/Gesetzgebung?
Literatur:
Als gemeinsamer Text wird empfohlen
- Dieter Grimm, Recht und Staat in der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt 1987 S.138ff. [Kap. II.5: Die sozialgeschichtliche und verfassungsrechtliche Entwicklung zum Sozialstaat]
- Ergänzend: um sich in die Kultur des Seminarthemas etwas einzudenken, wird auf das Funkkolleg Philosophie und das Zusatzmaterial zum Stichwort Gerechtigkeit verwiesen, in dem jede(r) herumstöbern kann. Der einführende Text kann als Podcast angehört und die Zusatzmaterialien können als pdf heruntergeladen werden.
Zur Person
Peter Hauck-Scholz, 75, ist Rechtsanwalt in Marburg und als Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Verwaltungsrecht auch im Staats- und Verfassungsrecht spezialisiert. Er war in zahlreichen politisch relevanten Prozessen u.a. in Sachen Volkszählung, „Abwicklung“ von Institutionen und Personen der DDR, Hochschulzulassung, Studiengebühren, Beobachtung durch den Verfassungsschutz (Ramelow) involviert; zahlreiche Veröffentlichungen.
24.8. Montagnachmittag (15.30)
„Industrie 4.0 – Hype oder industrielle Revolution?“ Christoph Ohm (Berlin) Politikwissenschaftler; Kommentar und Ergänzung: Hermann Bömer (Duisburg), Regionalökonom.
- Literatur:
Christof Ohm und Manfred Bürger: Ausblicke auf Industrie 4.0 und ihr Kybertariat, in: Das Argument 311 (2015) S.17-31 (Basistext) - Stefan Heng (Deutsche Bank Research): Industrie 4.0. Upgrade des Industriestandorts Deutschland steht bevor. Paper v. 4. 2. 2014
- Ulrich Bochum: Gewerkschaftliche Positionen in Bezug auf „Industrie 4.0.„, in: A. Botthof, E.A. Hartmann: Zukunft der Arbeit in Industrie 4.0., Berlin-Heidelberg 2015
Zur Person:
Ohm, Christof, geb. 1942 Dipl. Psych., Datenschutzbeauftragter, Redakteur der Zeitschriften Das Argument, Forum Kritische Psychologie und des Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus (HKWM) . Veröffentlichungen: in HKWM Autor/Koautor von Gegenmacht, Hacker, Hirnforschung, hochtechnologische Produktionsweise, Informationsarbeiter, Informationsgesellschaft, Informationskrieg/informationelle Kriegsführung, Katastrophismus, Kemalismus, Konterrevolution, Kritische Kriminologie, Künstliche Intelligenz. Mitgliedschaften: ver.di, BdWi, Berliner Institut für kritische Theorie (InkriT).
25.8. Dienstagvormittag (9.30 Uhr – 12.30)
„Vom Modell T zu Industrie 4.0?“ Rainer Fischbach, IT-Experte
Literatur:
Rainer Fischbach: Mensch-Natur-Stoffwechsel: Versuche zur politischen Technologie Köln: PapyRossa, 2016
Zur Person:
Rainer Fischbach (1950), ist IT-Experte und Publizist. Er schreibt regelmäßig über technologische und politische Fragen bzw. deren Zusammenhang. In der Studie „Mythos Netz“ (Zürich 2005) untersuchte er die Bedeutung der digitalen Kommunikationsnetze sowie der sich darauf stützenden Metaphorik der Vernetzung für Wirtschaft, Gesellschaft und insbesondere den Prozess der Verstädterung. Er lehrte Informatik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg und beschäftigte sich als Mitglied der Studiengruppe Peace Research and European Security (AFES-PRESS) mit Fragen der militärischen Nutzung des Weltraums, der Abwehr ballistischer Raketen und Technologiefolgen-Abschätzung. Web: http://www.rainer-fischbach. info/Mail: rainer_fischbach@gmx.net.
25.8. Dienstagnachmittag (15.30 Uhr – 18.30)
„The poor are getting poorer, but with the rich are getting richer it all averages out in the long run oder wie Thomas Piketty den Joke von Joseph Mirachi im ‚New Yorker‘ aus dem Jahr 1988 widerlegte.“ Rainer Rilling, Soziologe
Literatur:
- Rainer Rilling: Thomas Piketty und das Märchen vom Gleichheitskapitalismus, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 11/2014 S. 81-91. (Basistext)
- Ders.: Die Ungleichheitsmaschine. Eine Übersicht zu „Capital“ von Thomas Piketty, in: Telepolis v. 6.9.2014
- Helga Schultz: Die neue Umverteilung und das Dilemma des Sozialstaats, in: Initial 2/2015 S.78-92
Ulrich Busch: Zwischen Konvergenz und Divergenz. Zur Entwicklung privater Vermögen in Ost- und in Westdeutschland, in: ebd., S.50-65 - Peter Bofinger u.a.: Piketty und die Verteilungsfrage. Analysen, Bewertungen und wirtschaftspolitische Implikationen für Deutschland SE 2015
Zur Person:
Rainer Rilling, Jg.45, Soziologe, apl. Prof. für Soziologie an der Universität Marburg, war von 1999 bis 2011 Mitarbeiter, seit 2012 Fellow und ist seit 2014 Vorstandsmitglied der Rosa Luxemburg Stiftung. Er ist Miterfinder der Villa Rossa .
Donnerstagvormittag, 27.8. (9.30 – 11.00 Uhr)
Prekäre Arbeit – prekäres Leben. Frauen und prekäre Beschäftigung. Ursula Schumm-Garling, Soziologin
Literatur
- Ursula Schumm-Garling: Eine neue Politik der Arbeit, in: Sozialismus 7-8/2014 S.55-61 (Basistext)
- Dies.: Frauen und prekäre Beschäftigung
Beschäftigung, in: Sozialismus 4/2009 - Dies., Veränderte Geschlechterbeziehungen, in: Z 100 (2014).
- RLS (Hg): Britta Grell, Miriam Pieschke (Red.:) Jenseits der Prekarität. Materialien für politische Bildung und linke Politik, Berlin Juni 2015
Zur Person
Ursula Schumm-Garling war zuletzt von 1974 bis zu ihrer Emeritierung 2003 Professorin für Soziologie an der Universität in Dortmund, dort zeitweise auch geschäftsführende Direktorin des Landesinstitutes Sozialforschungsstelle Dortmund. Gelehrt hat sie u.a. auch in Frankfurt an der Uni. (Vertrauensdozentin der Böckler-Stiftung). Schwerpunkte ihrer Lehr: und Forschungsarbeit waren Themen der Arbeitswelt – vornehmlich unter dem Aspekt von Veränderungen und Auswirkungen auf die Beschäftigten. Sie hat zuletzt in Frankfurt/M. gelebt, bevor sie nach Berlin übersiedelt ist. Sie arbeitet im Forum Neue Politik der Arbeit mit.
Donnerstagvormittag 11.30-13.00 Uhr
Prekarität in der Gesellschaft 4,0. Andrea Liesner, Hamburg
Seit den 1990ern gilt Outsourcing als unternehmerisches Mittel der Wahl, um steigende Kapitalerträge zu sichern. Heute kommt Crowdsourcing hinzu: Firmen (und inzwischen auch Non-Profit-Organisationen) stellen Websites ins Netz, auf der via Internet zu erledigende Arbeit angeboten wird. Digital affine Arbeitnehmer wählen die sie interessierenden HITs (Human Intelligence Task), arbeiten sie ab und bieten das Ergebnis dem Auftraggeber an. Der kann es annehmen und bezahlen, was selten üppig ausfällt. Er kann es aber auch ohne Begründung ablehnen, nicht entlohnen, behält oftmals aber dennoch die Rechte am Produkt.
Der Beitrag erläutert am Beispiel der 2005 von amazon ins Netz gestellten Seite Mechanical Turk, wie Crowdsourcing funktioniert, lotet die Beschäftigungsbedingungen von Crowdworkern aus und diskutiert diese Entwicklung in der Industrie 4,0 unter Berücksichtigung eines weiten gesellschaftlichen Begriffes von Prekarität.
Literatur:
- Dörre, Klaus: Diskriminierende Prekarität – ein neuer Typus unsicherer Arbeits- und Lebensformen, in: Siegfried Frech und Olaf Groh-Samberg (Hg.): Armut in Wohlstandsgesellschaften. Wochenschau-Verlag, Schwalbach/Ts. 2014, S. 57-78.
- Müller-Gemmeke, Beate: Wir brauchen soziale Leitplanken in der neuen Arbeitswelt. Was der Wandel von Arbeitsformen für unsere Gesellschaft bedeutet. In: Christiane Benner (Hg.): Crowdwork – zurück in die Zukunft? Perspektiven digitaler Arbeit. bund-Verlag 2015, S. 355-364
Zur Vertiefung, falls zugänglich: Florian Alexander Schmidt: The Good, the Bad and the Ugly. Warum Crowdsourcing eine Frage der Ethik ist. In: Christiane Benner (Hrsg.): Crowdwork – zurück in die Zukunft? Perspektiven digitaler Arbeit. S. 367-385.
Trebor Scholz: Die Zukunft der Crowdworker. Wofür es sich zu kämpfen lohnt. In: Christiane Benner (Hrsg.): Crowdwork – zurück in die Zukunft? Perspektiven digitaler Arbeit. S. 387-416.
Zur Person:
Andrea Liesner ist seit 2007 Professorin für Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf Bildungsprozessen im Kontext ökonomischer Transformationen (Schulen und Universitäten unter Privatisierungsdruck, internationale educational governance, Benachteiligungs- und Armutsforschung im Bildungsbereich). Sie bereitet als Mitherausgeberin des Jahrbuchs für Pädagogik derzeit gemeinsam mit Dr. Sven Kluge und PD Dr. Edgar Weiss die Ausgabe 2015 zum Thema „Inklusion als Ideologie“ beim Peter-Lang-Verlag vor; eine Monographie zum Verhältnis von Erziehung und Ökonomie ist in Vorbereitung. Mail: Andrea.Liesner@uni-hamburg.de
Donnerstagnachmittag, 15.30 Uhr
Neue Gleichheit zementiert alte Ungerechtigkeit. Die Ökologiefrage“ Günther Bachmann
- Umweltbundesamt: Deutschlands Wege in die Zukunft. Dokumentation einer UBA-Vortragsreihe zu mehr Nachhaltigkeit. Dessau-Roßlau 2012 (Basistext)
- Heinrich Böll Stiftung (Hg.): Harald Welzer: Mentale Infrastrukturen. Wie das Wachstum in die Welt und in die Seelen kam, Berlin 2011.
Zur Person:
Günther Bachmann, Dr. Ing., ist Generalsekretär des Rates für Nachhaltige Entwicklung c/o GIZ GmbH, D – 10785 Berlin, Potsdamer Platz 10; Mail: guenther.bachmann@nachhaltigkeitsrat.de. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin, wechselte 1983 in das Umweltbundesamt, erarbeitete 1988 mit einem Stipendium des Deutschen Marshall Fund eine Studie zur US-amerikanischen Sanierung von kontaminierten Flächen (Altlasten) und veröffentlichte am Europäischen Hochschul-Institut in Florenz als Monnet-Stipendiat eine Analyse zur Umweltsanierung der DDR während des deutschen Einigungsprozesses. 1992 übernahm er Leitungsfunktionen bei der Erarbeitung des deutschen Bodenschutzgesetzes. 2001 wurde er zum Geschäftsführer des damals eingerichteten Rates für Nachhaltige Entwicklung bestellt. Seit 2007 ist er dessen Generalsekretär. Er leitet die Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises und ist Co-Vorsitzender der europäischen Arbeitsgruppe von Nachhaltigkeitsräte. In zahlreichen Vorträgen und Veröffentlichungen widmet er sich dem Bodenschutz und der nachhaltigen Entwicklung. Veröffentlichte Papiere sind zu finden auf http://www.nachhaltigkeitsrat.de/de/dokumente/reden-praesentationen/?size=2amp%3Bblstr%3D0%25
Freitagvormittag 28.8. 9.30. – 14.00 Uhr
Das Ende des Kapitalismus.
Beiträge / Debatte.
Mit Wolfgang Streeck, Michael Krätke, Hans-Jürgen Urban
Ausgangspunkt ist der Aufsatz von Wolfgang Streeck:
Wie wird der Kapitalismus enden? In: Blätter für deutsche und internationale Politik 3/2015 S.99-111 (Teil 1) und Teil 2. [engl. How will Capitalism end, in: New Left Review 87 – 2014; eine aktualisierte Kurzfassung ebenfalls in engl. Sprache findet sich hier: On the Dismal Future of Capitalism ].
- Jürgen Kaube hat zu diesem Text in der FAZ kommentiert,
- im Deutschlandfunk gab es eine Debatte Streeck : Mathias Greffrath und
- ein Gespräch mit Streeck in der Wirtschaftswoche fasst zentrale Argumente zusammen.
- Zu empfehlen auch „Falscher Fortschrittsglaube„, ein Beitrag im Handelsblatt vom 31.10.2014 sowie
- „Die Gesellschaft wird sich das nicht gefallen lassen“ in Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte 4/2012.
Die letztgenannten Beiträge finden sich neben weiteren knappen Texten im Blog Wolfgang Streecks. Dort auch aktuelle Beiträge zum Thema Eurokrise und Europaentwicklung:
- The euro, a political error, Interview for L’Espresso, July 7, 2015
- Brutish, nasty – and not even short: the ominous future of the eurozone, in: The Guardian v. 17. August 2015
1995 Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln und Professor für Soziologie der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, 2014 Emeritierung. Forschungsgebiete: Vergleichende politische Ökonomie und Theorien institutionellen Wandels.
Hans-Jürgen Urban studierte von 1981 bis 1989 Politologie, Volkswirtschaftslehre und Philosophie in Bonn, Gießen und Marburg. Er promovierte 2003 an der Philipps-Universität Marburg und habilitierte 2014 an der Universität Jena. Er ist Privatdozent für Soziologie. Seit 1991 war er in verschiedenen Funktionen als Gewerkschaftssekretär in der IG Metall tätig und ist seit 2007 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall.
Text: Hans-Jürgen Urban: Zwischen Krisenkorporatismus und Revitalisierung. Gewerkschaftspolitik im europäischen Finanzmarktkapitalismus, in: Lehndorff, Steffen (Hrsg.), Spaltende Integration. Der Triumph gescheiterter Ideen in Europa – revisited. Zehn Länderstudien. Hamburg 2014, S. 302-325. Zur Vertiefung:
- ders., Stillstand im Merkelland, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, H. 7/2014, S. 73-82
- sowie Arbeit in Europa. Wirtschaftsdemokratie – ein Ausweg aus dem postdemokratischen Europa? in: Dörre, Klaus/Jürgens, Kerstin/Matuschek, Ingo (Hrsg.): Arbeit in Europa. Marktfundamentalismus als Zerreiprobe. Frankfurt a. Main 2014, S. 381-395 und als Ergänzung:
- Colin Crouch denkt 2013 über den Feind des Kapitalismus nach und
- Thomas Piketty hielt am 7. November 2014 die erste Democracy Lecture der »Blätter für deutsche und internationale Politik« zum Thema „Das Ende des Kapitalismus im 21. Jahrhundert?“ An der anschließenden Debatte nahm Hans-Jürgen Urban teil.
Michael Krätke thematisiert “Der Kapitalismus und seine Zukünfte”
Er ist Jg. 1950, Professor für Politische Ökonomie an der Lancaster University, u.a. Mitherausgeber von spw – Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Beiträge zur Marx-Engels-Forschung Neue Folge.
- Michael Krätke: Die neue große Depression, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 12/2012, Seite 9-12
- Michael Krätke: Boom.Blase.Crash, in: Blätter 9/2013, Seite 53-60.
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Hinweis: Die Texte liegen als .pdf–Dateien vor oder es gibt Verweise auf externe Quellen im Netz. Sie werden ausschließlich zur Verwendung im Zusammenhang mit dem Seminar zur Verfügung gestellt!
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